Sehr geehrte Damen und Herren,
es ist mir eine besondere Freude, auch in diesem Jahr mit Ihnen zusammenkommen zu dürfen.
Die meisten Massaker in der Geschichte wurden durch die absolutistischen Überzeugungen derer verursacht, die in Schwarz-Weiß-Denken verfallen, ihre eigenen Überzeugungen als absolute Wahrheit und die der anderen als absoluten Irrtum ansehen.
Wer sind diese Menschen?
Es sind Menschen, die nicht an die Notwendigkeit von Dialog und Toleranz glauben und keine abweichenden Gedanken oder Kritik ertragen können.
Es sind Menschen, die davon Überzeugt sind, dass ihr Weg der absolut richtige und der der anderen absolut falsch ist.
Es sind Menschen, welche glauben, dass Gott ihr Gott ist und nicht der Gott der gesamten Menschheit.
Es sind Menschen, welche glauben, dass sie überlegen wären und andere nur dazu da sind, ihnen zu dienen.
Es sind Menschen, welche glauben, dass die Religion, die ihnen von Gott gesandt wurde, die originale und wahre Religion ist, während die Religion, die anderen gesandt wurde, gefälscht und unecht sei.
Es sind Menschen, welche glauben, dass ihr Recht auf Wohlstand, Glück und Frieden unbestreitbar ist, während andere Armut, Not und Unruhe verdienen.
Es sind Menschen, welche glauben, dass alles, was sie tun, richtig ist, und alles, was andere tun, falsch sei.
Zusammengefasst,
Absolute Überzeugungen und Einstellungen führen den Menschen zu einer radikalen und fundamentalistischen Lebensweise, welche unverantwortlich und monologisch ist.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Wir müssen akzeptieren, dass: Wir nicht absolut sind,
Wir nicht in einer Welt der Absoluten leben, und Wir kein absolutes Wissen besitzen. Deshalb müssen wir demütig sein, uns gegenüber anderen verantwortlich fühlen, ihnen zuhören, sie verstehen, von ihnen lernen, ihnen das wünschen, was wir uns selbst wünschen, und ihnen das nicht wünschen, was wir uns selbst nicht wünschen.
Was ist mit den Religionen?
Theoretisch bieten alle Religionen ein schönes und interessantes Bild vom Leben und einem friedlichen Zusammenleben an.
Ehrlich gesagt ist es mir wichtig das praktische und erfolgreiche Bild des religiösen Lebens in den Vordergrund zu rücken. Hierbei geht es mir nicht darum festzulegen, welches Menschenbild das richtige oder das falsche ist oder welche Religion die richtige oder die richtigere ist.
Wichtig ist unser praktisches Bild und die Definition vom Leben und dem weltweiten friedlichen Zusammenleben.
Ich möchte an dieser Stelle eine Frage in den Raum stellen:
Warum ist die Menschheit in der Praxis ruheloser und unzufriedener denn je geworden, obwohl das Bild, das von den Religionen gezeichnet wird theoretisch interessant und schön ist?
Dieser Paradox zwischen Theorie und Praxis soll aufgehoben werden. Dies ist die Aufgabe von Religionsgelehrten und Wissenschaftlern.
Ohne damit eine detaillierte wissenschaftliche Analyse des Sachverhaltes zu liefern, möchte ich unmittelbar darauf hinweisen, dass Morallosigkeit und Maßlosigkeit ein Hindernis für die Gelassenheit geworden ist, die der Mensch braucht, um inneren Frieden zu erlangen.
Wir sind gefangen im Strudel unserer selbstverschuldeten Ruhelosigkeit. Und diese Ruhelosigkeit hat nicht nur individuelle und gesellschaftliche Auswirkungen, sondern auch ökologische, ökonomische und politische Folgen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Leider gibt es immer noch Menschen, die sich ihre vermeintliche Ruhe und den Frieden durch die Unruhe in anderen Gegenden der Welt erkaufen.
Es wird immer dringender, dass sich Entscheidungsträger, Meinungsmacher und Intellektuelle gemeinsam aktiv für Rahmenbedingungen einsetzen, die eine moralische Genesung der Menschen begünstigen kann.
Ich bin davon überzeugt, dass ein moralisches Menschsein ein gutes Rezept für unsere Welt sein kann.
Ich spreche nicht im Namen einer bestimmten Religion, sondern von einer Ethik, die im pluralistischen Sinne moralische Verhaltensweisen, die in allen Religionen und Weltanschauungen eine starke Verankerung haben, als ein Manifest für eine moralische Welt wirbt.
Eines dieser ethischen Prinzipien, das in der Lage ist, auf der einen Seite viele Probleme des Individuums und somit der Welt zu lösen und auf der anderen Seite ein Grundkonsens nahezu aller Anschauungen darstellt, ist die Mäßigung.
Ja, wir brauchen die Mäßigung mehr denn je, sei es auf der individuellen, der gesellschaftlichen, der ökologischen, der ökonomischen oder der politischen Ebene.
Mäßigung ist der Schlüssel für die Lösung vielerlei gegenwärtiger Probleme.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Durch die Globalisierung sitzen wir alle im selben Boot und sind darauf angewiesen, uns alles zu teilen. Wir haben auf andere Rücksicht zu nehmen und sind angehalten, Verantwortung zu übernehmen.
Schließlich haben wir einen Fahrplan des gemeinsamen Zusammenlebens zu gestalten. Wir sind alle gemeinsam verantwortlich für den Frieden, die Sicherheit und die Stabilität in unserer Welt. Wer diese in Gefahr bringt, gefährdet auch sich selbst, denn die Grenzen unseres globalen Dorfes liegen eng beieinander. Der beißende Rauch aus dem einen Dorf reicht so weit, dass er die Augen der Bewohner aller anderen Dörfer zu Tränen reizen kann.In unserem globalisierten Zeitalter sollte der Mensch soweit gereift sein, um eine solche Einheit in der Vielfalt herbeiführen zu können.Meine Hoffnung ist, das Erblühen einer globalen Menschheit und einer menschlichen Globalität auf der Grundlage der Moral.
Schließlich möchte Ich mich bei Herr Darboven für die Einladung bedanken, und ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.